Nach neun Verhandlungstagen ist gestern vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg ein Prozess gegen eine Atomkraftgegnerin zu Ende gegangen. Sie wurde wegen Beihilfe zur Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe zu 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Das Gericht begründete das mit der Versorgung einer Person mit Lebensmitteln durch die Angeklagte, die durch eine Ankettaktion im Sommer 2014 einen Zug mit Uranerzkonzentrat im Hamburger Hafenbereich stoppte.
Der Prozess, welcher bereits im April diesen Jahres begann, zog sich lange hin. Die Verhandlungstage waren gefüllt mit Zeug*innen-Befragungen und Beweisanträgen zu den Gefahren von Atomkraft. Die Gefahren wurden vom Gericht zwar bestätigt, aber spielten für den Richter Nahrwold in seiner Entscheidung keine Rolle hinsichtlich juristischer Rechtfertigungsgründe.
Am gestrigen Donnerstag erfolgten dann die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung. Die Verteidigung stellte den politischen Verfolgungswillen heraus, so hieß es zum Vorwurf der Störung öffentlicher Betriebe: „Dies ist ein Staatschutzparagraph. An der Geschichte des Paragraphen zeigt sich der deutliche politische Verfolgungswille. Von den Alliierten abgeschafft als typisch nationalsozialistisches Unrecht, wieder eingeführt (nur ohne Todesstrafe) zur Bekämpfung vom Kommunist*innen und verschärft gegen Atomkraftgegner*innen in den 80ern.“ Der Staatsanwalt meinte, dass die politische Motivation bei der Bewertung der Tat keine Rolle spielen darf. Gleichzeitig begründete dieselbe Staatsanwaltschaft die Haftanträge gegen G20-Demonstrant*innen mit einer Zugehörigkeit zur linken Szene.
„Ich als Angeklagte glaube nicht daran, dass es vor Gerichten um Gerechtigkeit geht. Deshalb haben wir, also meine Verteidigerin, das gesamte Publikum und ich kurz vor dem Urteil gemeinsam den Gerichtssaal verlassen, um der Inszenierung von Richter und Staatsanwalt die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Das Urteil steht seit langem fest und ich lehne Strafe schon als Konzept ab. Noch nie hat die Bestrafung von Menschen die Welt verbessert oder Konflikte gelöst. Sie verhindert nur, dass wir Konflikte, wie die um Uranabbau und Urantransporte, auf eine sinnvollere Art lösen. Deshalb wird mich auch dieser Prozess nicht davon abhalten weiter nach meinen eigenen Überzeugungen zu handeln.“, erklärt die Angeklagte Irene im Prozess.
Der solidarische Unterstützer Kurt ergänzt: „Ich habe das Urteil nicht anders erwartet. Gerichte schützen Interessen von Herrschenden und Profite. Daher wird gegen alle, die diese stören vorgegangen und nicht gegen die, die mit dem Uranabbau trotz damit verbundener Umweltzerstörungen Gewinne machen.“
Währenddessen gehen weiter regelmäßig alle paar Tage Atomtransporte über den Hamburger Hafen. Die Gefahren für Unfälle bestehen weiter hin und der Uranabbau hat auf die Menschen in Australien, Namibia oder Kasachstan weiterhin verheerende Folgen wie Trinkwassermangel oder gesundheitliche Schäden durch Radioaktivität. Dazu kommt Millionen Jahre lang strahlender Abfall, von dem niemand weiß, wohin damit. Trotz alledem lehnt der Hamburger Senat eine Hafenentwidmung für Atomtransporte weiterhin ab. Solange es diese Transporte gibt werden auch Atomkraftgegner*innen mit entschlossenen Aktionen Widerstand dagegen leisten.
Informationen zum bisherigen Prozessverlauf: nirgendwo.info/hamburg