Prozesstermin: 08. Oktober 2019, 13 Uhr Saal Z 17 Amtsgericht Lingen
Solidarischer Prozessbesuch erwünscht
Wer sich für eine Welt ohne Atomanlagen einsetzt, bekommt immer wieder zu spüren, dass der Betrieb von Atomanlagen nur möglich ist, weil der Staat Menschen in Uniform dafür bezahlt, die Anlagen vor Protest zu schützen. Für Außenstehende mag das wie eine ausgeleierte und vorgeschobene Floskel wirken, da sie sich vermutlich garnicht vorstellen können, wie sehr sich die Polizei zum Erfüllungsgehilfen der Atomkraft macht. Und wahrscheinlich ist es wirklich schwierig es begreiflich zu machen, ohne dass Menschen es hautnah selbst miterleben.
Letzte Woche nun erließ das Amtsgericht Lingen einen Strafbefehl wegen „Widerstand gegen Amtsträger, die zur Vollstreckung von Gesetzen berufen sind“. Aber was war passiert? Im Rahmen einer Demonstration erkletterten zwei Personen das Vordach des Lingener Rathauses, um dort ein Transparent aufzuhängen. Als sie nach kurzer Zeit und ein paar Fotos wieder runter kamen, ging die Polizei aggressiv auf die beiden zu. Als Umstehende mitbekamen, dass eine der Personen nun sogar auf die Polizeiwache mitgenommen werden sollte, stellten sie sich solidarisch vor das Polizeiauto und verdeutlichten so ihre Solidarität mit den beiden Aktivist_innen. Eine von diesen solidarischen Personen saß also in ihrem Rollstuhl vor dem Polizeiauto.
Nun ist es zwar rechtlich unstrittig, dass eine reine Sitzblockade keinen Widerstand darstellt, aber in den Augen der Lingener Polizei scheint dies für Rollstuhlfahrende nicht zu gelten. Immerhin habe sie die Rollstuhlbremse angezogen, heißt es im Strafbefehl. Ganz so, als würde das Anwinkeln der Beine, um sich hinzusetzen nun plötzlich strafbar, denn selbstverständlich zieht ein Mensch im Rollstuhl die Bremse, um nicht davonzurollen. Oder meint die Polizei hier Sondergesetze für Menschen, die kaum oder nicht laufen können, erfinden zu dürfen? Darüberhinaus wird beschrieben, die Person habe auf der Motorhaube getrommelt und so auf die Situation aufmerksam gemacht und deswegen seien mehr Menschen dazu gekommen und das habe sie auch so gewollt. Selbst wenn der geschilderte Ablauf so stimmen sollte, drängt sich erneut die Frage auf, worin hier nun das strafbare Verhalten liegen soll. Es mag ja sein, dass es der Polizei absolut nicht passt, wenn Menschen ihr Verhalten kritisieren, aber davon wird es, so sehr sich die Polizei das auch wünschen mag, nicht strafbar. Doch wenig überraschend decken Staatsanwaltschaft und Gericht diesen diskriminierenden und willkürlichen Blödsinn.
Die Aktivistin hat Einspruch eingelegt und so wird es am 8.Oktober um 13.00 Uhr vor dem Amtsgericht Lingen deswegen einen Prozess geben.