Auch am zweiten Verhandlungstag des Lubmin Castor Sitzblockadenprozesses kam es nicht zur Verlesung des Bußgeldbescheides und wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Der Prozess begann mit der Verlesung eines Befangenheitsantrages von Seiten des Angeklagten gegen Richtern Ahle. Zitat aus dem Antrag:
„ In einem fairen Verfahren säße ich auf keiner Angeklagtenbank. In einem fairen Verfahren fänden viele groß angelegte Verhandlungen auf Augenhöhe statt: Beteiligt wären etwa die im Uranabbau Beschäftigten, oder diejenigen Menschen, die in Uranabbaugebieten leben und von den enormen Verstrahlungsrisiken betroffen sind. Die Hinterbliebenen der 260.000 Todesopfer der Bombardements Hiroshimas und Nagasakis, ebenso wie die Angehörigen der Angestellten der Atomindustrie, deren strahlende Leichen nach Unfällen in der Asse entsorgt wurden (und dies ist kein Schauermärchen) – sie wären dabei. Beteiligt wären auch die zahllosen Eltern, die seit Beginn des zweiten Golfkriegs schwerbehinderte Kinder auf die Welt brachten, nachdem die NATO-Truppen in ihren Gebieten mit abgereichertem Uran geschossen hatten – also mit einem Nebenprodukt der Atomindustrie. Beteiligt wären die Überlebenden der Desaster von Tschernobyl und Fukushima, aber auch die leukämiekranken Kinder aus der Umgebung deutscher und anderer Atomkraftwerke. Beteiligt wären Menschen, die sich eingehend mit den Folgen der Atomindustrie für nichtmenschliche Tiere und die Natur befasst haben und versuchen können, für diejenigen ohne menschliche Sprachkenntnisse zu sprechen. Beteiligt wären Aktivist_innen und Bewohner_innen des Wendlands und anderer betroffener Regionen, die Polizeiknüppeln, Reizgas und anderen Formen von Gewalt ausgesetzt waren, weil sie gewagt hatten, aufzubegehren. Beteiligt an einem fairen Verfahren wären schließlich auch die Chefs der Atomindustrie: Manager_innen von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW, von Areva, TVO und Tepco. Und ihre Handlanger_innen: Polizeioffiziere, Politikerinnen, Staatsanwälte – und Richterinnen. In vielen solchen Runden könnten dann die Interessen abgewogen und Lösungsansätze entwickelt werden. Profit gegen körperliche Unversehrtheit: Ich habe eine hoffende Ahnung, in welche Richtung eine wirklich faire Verhandlung in dieser Frage tendieren würde. Voraussetzung wäre natürlich die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke, der Stopp der Uranförderung und -anreichung. Denn wie könnten wir verhandeln, während die meisten der Betroffenen noch um ihre Gesundheit und den Erhalt ihrer Umwelt fürchten müssen? Ziel der Verhandlung wäre selbstverständlich nicht die Bestrafung Schuldiger, sondern die Lösung der Probleme und ein besseres Leben für Alle. In diesem Sinne ist es nicht sehr sinnvoll, nach Schuld zu fragen: Vielmehr geht es um Verantwortung. Diese verbleibt bei den Bewohner_innen dieser Welt, lange nachdem die Schuldigen verstorben und vergessen sind.“
Überraschenderweise lehnte die vorsitzende Ahle diesen Antrag mit der Begründung ab, er diene lediglich der Prozessverschleppung. Anschließend beantragte der Angeklagte Karl-C. eine Laienverteidigerin (eine Verteidigerin, die sich ihr Juristisches Wissen im Selbststudium angeeignet hat).
Die Richterin versuchte den bisher unverteidigten Angeklagten in ziemlich dreister Weise zu erpressen, indem sie durchblicken ließ, dass sie die Verteidigerin nur zulassen werde, wenn durch sie das Verfahren nicht nennenswert verzögert wird. Sprich, wenn sie keine Akteneinsicht beantragt.
Auf diesen Vorgang ließ sich der Angeklagte nicht ein und so gab die Richterin den Antrag nicht statt. Daraufhin reichte die beantragte Verteidigerin und der Angeklagte eine Beschwerde ein, die nur von Richter_innen des Landgerichtes bearbeitet werden kann. Woraufhin Frau Ahle das Verfahren nennenswert verzögerte, indem sie den Prozess auf unbestimmte Zeit aussetzte.