Im Prozess gegen eine Kletteraktivistin vor dem Amtsgericht Hamburg Harburg wurden am 14.1.19 zwei Zeugen von der Atomumschlagfirma C. Steinweg und der DB-Schenker vernommen. Der Prozess geht am 31.1.19 um 9h30 weiter. Ein Lokführer der DB-Schenker, ein Vertreter der Hamburg Port Authority HPA und der Polizeieinsatzleiter sollen an diesem Termin vernommen werden. Solidarischer Prozessbesuch ist willkommen.
Hintergrund ist eine 7-stündige Kletterblockade eines Urantransportes im Hamburger Hafen im November 2014 bei der Ausfahrt des Zuges aus dem Terminal von c. Steinweg. Die Anklage lautete ursprünglich auf Nötigung. Das konnte jedoch nicht durch die Ermittlungen belegt werden. Der Vorwurf lautet nun auf eine nicht näher definierte Gefährdung des Bahnbetriebes nach der EBO. Es sind inzwischen 6 Verhandlungstage für diese Ordnungswidrigkeit terminiert. Der 31.1. wird der 4. Tag sein.
Die
Vernehmung der Zeugen am 14.1. ergab, dass weder die Verantwortlichen
von der Atomumschlagfirma C.Steinweg noch Angestellte der DB-Schenker
etwas zu Katastrophenschutz und Strahlenschutz wissen (wollen).
Der
Prokurist von C. Steinweg meinte, die Atomkraftgegner würden für die
Warnung der Bevölkerung sorgen, das sei ausreichend. Der ehemalige
Angestellte der DB-Schenker wusste nicht was für eine radioaktive Fracht
er transportiert habe und erklärte keinerlei Ausbildung zu
Strahlenschutz zu haben, nicht zu wissen in welchem Abstand zu welcher
radioaktiven Fracht Mensch wie lange stehen dürfe, um nicht allzu große
Risiken einzugehen.
Prozessbericht einer Zuschauerin
Zu Beginn ging es um die Frage, ob der (Schiebe)Termin am 03.01 überhaupt hätte stattfinden dürfen, da die Betroffene nachweislich erkrankt und ihr Verteidiger verhindert war. Offenbar wurden an diesem Termin dennoch Entscheidungen getroffen und auch neue Zeugen geladen.
Dem Antrag der Betroffenen auf Übersendung des Protokolls mit Anlagen (07.01.) wurde nicht entsprochen, obwohl darin Beschlüssen enthalten seien und die Betroffene Anspruch auf eine Ablichtung dieser habe. Die Richterin rechtfertigte ihr Vorgehen mit der Bemerkung, das Protokoll sei nicht fertiggestellt gewesen und insofern nicht übersandt worden. Es bestehe aber das Recht auf Akteneinsicht (!). Die Betroffene rügte, dass eine gründliche Prozessvorbereitung im Vorfeld nicht möglich war, weil sie nicht gewusst habe, was am 3.1. in ihrer Abwesenheit verhandelt worden sei.
Es erfolgte eine halbstündige Pause zur Akteneinsicht und Klärung des weiteren Vorgehens.
Im Anschluss beantragte die Verteidigung den Prozess neu anzusetzen, da es sich offensichtlich am 03.01 – wie abgemacht – um einen reinen Schiebetermin gehandelt hat und das Verfahren nicht im Sinne des § 229 StPO gefördert worden sei. Der Termin hätte außerdem nicht ohne die Betroffene stattfinden dürfen, das sei ein Verstoß gegen §230 StPO (rechtliches Gehör)
Der Antrag wurde zurückgewiesen, weil, so die Richterin, nur das Attest laut BGH nicht zur Beförderung des Verfahrens, aber darüber zu reden (z.B. ob das Attest ausreicht) reicht. Außerdem sei sie noch 2 Beweisanträgen (6 und 9) nachgegangen, in dem Zeugen geladen wurden. Der Hinweis der Betroffenen, dass ihr in diesem Zusammenhang keine Stellungnahme möglich war und das rechtliche Gehör verletzt wurde, verwarf die Richterin mit der Bemerkung, dass für Zeugenladungen keine Anwesenheit notwendig sei.
Die Betroffene erklärte daraufhin, einen unaufschiebbaren Antrag (Befangenheitsantrag) stellen zu wollen, erhielt jedoch zu keinem Zeitpunkt die Gelegenheit diesen zu Formulieren.
Während des letzten Verhandlungstags ging es viel um die „Möglichkeit“ einer Gefahrensituation. Richterin Schirm bekommt nun von der Betroffenen ein Freispruchurteil aus Hannover überreicht, nach dem ein Gefahrenverdacht eben nicht ausreicht, um den Tatbestand einer betriebsstörenden Handlung nach der EBO zu erfüllen.
Außerdem fordert die Betroffene einen Gerichtsbeschluss gegen die Zulässigkeit der Verwertung von Videos, die nicht von der Polizei waren (Verwertungsverbot). Hintergrund: Kamera und Speicherkarte wurden 2014 trotz Widerspruchs beschlagnahmt und die Karte ausgelesen. Das war rechtswidrig da es keine richterliche Anordnung zur Beschlagnahmung und schon gar nicht innerhalb von 3 Tagen gab. Entsprechend wird einer Verwertung im Gericht widersprochen.
Der StA hält den Widerspruch für verspätet, da der Film ja bereits gezeigt wurde und nicht nochmal gezeigt werden soll. Ebenso sieht der StA keine Rechtsgrundlage für eine weitere Pause zur Planung der Verteidigung nach neuem Kenntnisstand. Er hält eine Pause nicht für erforderlich und will den ersten Zeugen hören. Auch die Richterin erwähnt mehrfach die draußen wartenden Zeugen und die Unzumutbarkeit längeren Wartens. Die Zeugen waren aber nicht für 9.00 Uhr wie sie meint, sondern für 10.00 Uhr bestellt! Der Richterin ist das befinden der Zeugen offensichtlich wichtiger als die Rechte der Verteidigung.
Nach einer kurzen Toilettenpause geht es um 11.25 Uhr mit der Befragung des Vertreters von C. Steinweg, Herrn Möller, weiter. Der ist in der Firma als Prokurist Mitglied der Geschäftsleitung. Außer der Feststellung, dass die Gleise, um die es geht, grundsätzlich der HPA gehören („wir haben natürlich Rechte…“) und dass der sog. Schuppen 59 (es handelt sich um eine Halle) mit Freifläche von Steinweg angemietet ist, weiß er so gut wie nichts – zu sagen. Will er auch nicht. Er kontert die Fragen immer wieder mit der Nachfrage nach Relevanz. Auch zum Katastrophenschutz weiß er nichts. Da müsse man die Stadt Hamburg fragen! Die Aktivist*innen würden ja außerdem für die Warnung der Bevölkerung sorgen.
Auch die Namen der Reedereien, die über Steinweg ihre nukleare Fracht abwickeln (Aspol, macs) sagten ihm angeblich nichts! Insgesamt dauerte die Befragung dieses Zeugen etwa eine Stunde in der vor allem die grotesk ausufernde gemeinsame Betrachtung von Lageplänen mit sich ständig wiederholenden Bemerkungen, die letztlich zu keinerlei Erkenntnisgewinn führte, viel Zeit einnahm.
Nach hart erkämpfter, 3/4stündiger Mittagspause (Wie lange die zeugen warten müssen war der Richterin wichtiger als die Gesundheit und Verhandlungsfähigkeit der Betroffenen) ging es um 13.30 Uhr mit einer Erklärung zur Äußerung des Zeugen Möller nach § 257 StPO weiter. Es sei u.a. nicht glaubhaft, dass ein Prokurist nicht wisse, was in seinem unternehmen abläuft, was im Katastrophenfall zu tun sei und wer die Kunden der Firma seien. Der Zeuge habe mit „ich weiß nicht“ geantwortet, dabei WOLLTE er nicht. Da aber das Gericht sich offensichtlich für die Prüfung von Entschuldigungsgründe wie die des rechtfertigenden Notstandes nicht interessiert, wurde dies vom Gericht nicht beanstandet.
Die Verteidigung stellte ergänzend einen Beweisantrag zum Erscheinungsbild der Bahnanlage am Tatort und der Frage des Verbotsirrtums. Das Zuführungsgleis zu C. Steinweg wirke nach seinem Aussehen unabhängig von der Frage wem die Bahnanalge tatsächlich gehört, wie ein privater Zubringer. Dies wurden anhand von Bildern belegt und eine Ortsbegehung beantragt. Bei erwiesenem Verbotsirrtum wäre die Betroffene frei zu sprechen. Genauso wie bei Bejahung eines rechtfertigenden Notstandes. Und wenn es sich um eine private Bahnanlage handelt, gilt die EBO wonach die Betroffene verurteilt werden soll, nicht.
Der Staatsanwalt meinte kein normaler Mensch habe Anlass davon auszugehen, dass es sich um Privatbahn handelt (obwohl dort auch ein Firmenschild von C. Steinweg am Gebäude, das über die Gleisanlage führt, dies nahelegt).
Die Richterin ist sich unsicher ob sie jemanden vom WSPK 2 laden soll (Vorschlag der Betroffenen) um zu klären, wie es damals dort aussah und fragt sich „wie es wirkt“ und „wie weit wir drauf vertrauen dürfen“. Sie stellt eine Entscheidung zurück, um ordentlich begründen zu können.
Um 13.45 Uhr wird der Zeuge Athmer aufgerufen, der 2014 Rangierbegleiter bei DB Schenker war. Die Betroffene meldete ihre Schwierigkeiten dessen norddeutsches Idiom zu verstehen an. Es wurden kurze „Übersetzungen“ durch den Verteidiger vereinbart.
Der Rangierbegleiter äußerte zu der Frage ob die DB-Schenker öffentlich sei, seinen Ärger über seinen damaligen Arbeitgeber. Es habe viel hin und her gegeben, letztlich habe bei Privatisierungen die Politik ihre Finger im Spiel.
Letztlich konnte der Zeuge nicht sicher sagen, ob der Zug unter der Seilkonstruktion durch gepasst hätte. Beim ersten Passieren der Stelle, als er mit der Lok zum Abholen des Zuges Richtung Terminal fuhr, hat er nichts bemerkt („wir gucken nach vorn, nicht nach oben“), kann aber ausschließen, dass da was war, weil er sonst ja nicht durch gepasst hätte (???!).
Er schien völlig fassungslos, dass sich die Situation nach einer halben Stunde so anders darstellte. Das Maß der Lokhöhe konnte er nicht nennen. Die Seilhöhe fand er schwer zu schätzen. Das dort üblicherweise gefahrene Tempo variiert nach seiner Aussage, abhängig von der Anzahl der Waggons zwischen 5-10 km/h. Er wurde um 21.30 Uhr abgelöst und weiß nicht was im Anschluss passierte. Der Zeuge konnte zu Betriebsabläufe der Bahn gut vortragen. Seine Erinnerung an den Tattag waren dagegen sehr dürftig und entsprachen den Tatsachen in vielen Hinsicht nicht.
Auf die Frage, ob er wisse was der Zug geladen habe, antwortete er mit „Atommüll“ – In Hamburg wird aber „nur“ Stoff zu Versorgung von Atomanalgen weltweit umgeschlagen, jedoch kein Atommüll. Und nein, er wisse nicht was da transportiert worden sei und habe keine Ausbildung zum Strahlenschutz und wisse nichts über die Gefahren.
Das Zeug müsse aber sehr gefährlich sein, sonst würden die Menschen nicht dagegen demonstrieren. Sie haben sicher ein ernsthaftes wichtiges Anliegen.
Der Prozess wird am Do 31.01 um 9.30 Uhr fortgesetzt.
Am 11.02 ist um 15.30 Uhr ein weiterer kurzer „Schiebetermin“ angesetzt und am
Mi 27.02 um 9.30 Uhr der in dieser Sache 6. (und vielleicht letzte) Termin
Weitere Infos
- Bericht erster Prozesstag
- Soliseite zum Prozess