Wollen Sie die Berufung nicht zurückziehen…?

Aus einem geöffneten hohen Fenster eines Steingebäudes schauen mehrere Menschen und halten eine Atomkraft-Nein-Danke-FahneDie Aktion an der Brennelementefabrik zum Jahreswechsel 22/23 beschäftigte jetzt bei der ersten Person auch das Landgericht Osnabrück in drei Verhandlungstagen.

Am ersten eher kurzen Verhandlungstag, der parallel zu zwei Terminen in Lingen lief, gab es keine Zeug*innen. Und denen, die am zweiten Tag erschienen, war deutlich anzumerken, dass sie nicht zum ersten Mal in dieser Sache aussagten. Sie erkannten zahlreiche Menschen, konnten aber beim besten Willen nicht sagen, woher. Bis auf einen Zeugen, der meinte, sich sicher zu sein, nicht nur den Angeklagten, sondern auch dessen Verteidiger auf dem Dach der Brennelementefabrik gesehen zu haben.

Diese Sorte „Erinnerung“ ist es, die wir sehr oft erleben bei Gerichtsverfahren. Polizist*innen erinnern sich entweder an exakt das, was sie in ihre Berichte geschrieben und zur Vorbereitung auf den Prozess nochmal gelesen haben, oder an die Personen auf der Anklagebank. Auch unter Jurist*innen ist es übrigens durchaus strittig, ob Polizeizeug*innen als „echte“ Zeug*innen zu bewerten sind. Wer sich dafür mehr interessiert, wird hier fündig.

Mehr zwischen Tür und Angel als im Prozess wurde dann am zweiten Tag noch eine CD hereingereicht, die am dritten abgespielt wurde. Darauf sind die Videos der Überwachungskameras. Bemerkenswert daran ist, dass die Polizei sich sicher ist, sieben Aktivist*innen auf dem Gelände ermittelt zu haben, jedoch nur sechs fotografiert wurden und auch auf dem Video nur sechs Personen zu sehen sind, die das Gelände betreten. Wie die siebte Person auf das Gelände gelangt ist und wer nun diese siebte Person war, bleibt vollkommen unklar. Eigentlich ein ziemlich bemerkenswerter Vorgang, denn vorgeworfen wird das Eindringen auf das Gelände.

Der dritte und letzte Verhandlungstag zog sich in die Länge. Einstellen wollte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht und schlug stattdessen wiederholt vor, beide Seiten könnten die Berufung zurück ziehen. Das kam für die Verteidigung jedoch nicht in Frage.
Die Verteidiger*innen (am zweiten Tag war eine weitere Laienverteidigung zugelassen worden) verlasen zahlreiche Beweisanträge. Bei fast allen meinte das Gericht, dass sie auch so behandelt werden könnten als ob sie wahr seien. Es folgte noch eine Diskussion mit dem Staatsanwalt über die Beweiskraft eines Personalausweises. Dieser sei schließlich auch vor der Aktion verloren gegangen, hätte also auch von wem anders benutzt werden können und die Polizeizeugen konnten den Angeklagten nicht identifizieren. Die theoretische Möglichkeit wurde zwar seitens Gericht und Staatsanwaltschaft eingeräumt, aber auch für ein Gericht scheinen Wahrscheinlichkeiten mehr zu zählen als Beweise und so verurteilte auch der Richter am Landgericht nach einem langen Verhandlungstag von über 12 Stunden (inklusive Pausen).

Auf Steinen eines Bürgersteigs liegt eine Anti-Atom-Fahne auf der verschiedene Snacks liegen.Zum Glück saß draußen eine solidarische Person und konnte so in den Pausen ein paar Picknicksnacks durchs Fenster werfen.

Der Prozess endete – wie sollte es bei einem Gericht auch anders sein – mit einer Verurteilung, diesmal zu 30 Tagessätzen, dafür aber je 15 Euro. Revision wird eingelegt, dabei überprüft das Oberlandesgericht dann von der Verteidigung geltend gemachte Formfehler.

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