Atomklo Bure: Projekt-Gegner*innen wehren sich gegen Grundrechtseinschränkungen und gerichtliche Auflagen

Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen wegen „Verdacht auf kriminelle Vereinigung“ wurden die Angeklagten unter gerichtliche Aufsicht gestellt. Wir geben hier die dies bezügliche Stellungnahme der Koordination der Vereine gegen Cigéo (Name des Atomkloprojektes) und des Netzwerkes „Sortir du Nucléaire“ (Atomausstieg) wieder.

Nachdem in ganz Frankreich und auch in Deutschland circa zwanzig „Bals des Malfaiteurs“ („Missetäter/Verbrecherbälle“) gefeiert worden sind, wird am 14.November um 9h45 die Anhörung vor dem Kassationsgericht stattfinden. Eine öffentliche Rede wird um 10h30 in Beisein der Angeklagten sowie von Mitgliedern lokaler Vereine und des Netzwerkes Sortir du Nucleaire gehalten werden.

Es gibt eine neue Homepage für Informationen über das Atomklo Bure. Noch gibt es keine Übersetzungen (ist aber in Planung): https://bureburebure.info/


Gemeinsame Pressemitteilung des Netzwerkes Sortir du nucléaire und der Coordination Stop Cigéo – 9. November 2018

Gerichtlicher Termin für die Gegner des Cigéo-Projektes in Bure: Die Koordination Stop Cigéo und das Netzwerk Sortir du nucléaire verurteilen einen schweren Verstoß gegen die Grundrechte.

Am 14. November 2018 wird das Kassationsgericht die Berufung verhandeln, die von fünf GegnerInnen des Cigéo-Projektes gegen die ihnen auferlegten skandalösen gerichtlichen Kontrollen eingereicht wurde.

Diese erfolgte nach einer Anklageerhebung wegen « Krimineller Vereinigung » im Juni 2018. Hiermit verurteilen wir eine Anordnung, die den Grundrechten widerspricht und darauf abzielt, eine ganze Widerstandsbewegung zu lähmen, eine Bewegung die ein größenwahnsinniges Projekt der Atomindustrie bekämpft, ein Projekt, dessen Ausführung jederzeit zu beginnen droht.

Am 20 Juni 2018 wurde die Oppositionsbewegung gegen das Cigéo-Projekt der Endlagerung von radioaktiven Abfällen in Bure von einer in 25 Jahren nie gekannten Welle der Repression erfasst.

Im Rahmen eines gerichtlichen Ermittlungverfahrens, welches im Juli 2017 von dem Untersuchungsrichter Kevin Le Fur in Bar-le-Duc wegen „Verdacht auf kriminelle Vereinigung “eingeleitet worden war, wurden vierzehn Orte polizeilich durchsucht, Dutzende von Computern und Telefone beschlagnahmt und neun Personen brutal festgenommen. Sie erlitten vorläufige Festnahmen von 48 bis 60 Stunden. Anfang September und Oktober wurden zwei andere Personen unter ebenso brutalen Umständen festgenommen.

Die Vielfalt der betroffenen Personen spiegelt die des Kampfes gegen Cigéo wider: Atomklo-Gegner seit mehr als zwanzig Jahren, kürzlich nach Bure und Umgebung Gezogene, aktive Verbands VertreterInnen und sogar einer der Anwälte der Bewegung.

Insgesamt wurden gegen sieben unter ihnen ein Verfahren wegen Verdachtes einer kriminellen Vereinigung eingeleitet und diese Personen wurden unter gerichtliche Aufsicht gestellt. Während der mehrjährigen Dauer des Ermittlungsverfahrens dürfen sie weder miteinander noch mit den drei anderen Angeklagten „in Verbindung treten“, d.h. es ist ihnen untersagt, miteinander zu sprechen, sich zu sehen, sich zu berühren, sich im gleichen Raum oder auf dem gleichen Gehsteig aufzuhalten. Sie haben Aufenthaltsverbot in Bure, in Mandres, manchmal in mehreren Dörfern oder sogar in den gesamten Departements Meuse und/oder Haute Marne; und in einigen Fällen Reiseverbot außerhalb Frankreichs. So sind also zehn in diesem Kampf engagierte Personen in ihren Sozialleben eingeschränkt wobei ihnen ein Teil ihrer Freundschaften schlicht verboten wurde.

Abende gemeinsam zu verbringen, zusammen an einem Ereignis teilzunehmen, oder sogar der Beerdigung eines gemeinsamen Freundes beizuwohnen: auf all dies muss verzichtet werden, aus Angst sich zu begegnen.

Unsere Organisationen verurteilen eine Maßnahme, die nicht nur verheerende Auswirkungen auf das Privatleben und die Partnerschaften der Betroffenen hat, sondern darüber hinaus einen schweren Verstoß gegen die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit darstellt, ein Grundrecht welches im Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist.

Viele unter den Betroffenen engagieren sich in den selben Strukturen, sei es Kollektive, nichtrechtsfähige Vereinigungen oder eingetragene Vereine.

Um dieser absurden Maßnahme zu gehorchen und jeden Kontakt zu vermeiden, müssen sie sich jetzt von Austauschmöglichkeiten und Arbeitsgruppen, die ihnen wichtig waren, selbstausschließen. Durch diese ungerechten und perversen Maßnahmen werden die internen Abläufe in unseren Vereinen und Kollektiven erheblich behindert.

Seitdem ist das Organisieren von Informationsaustausch und Versammlungen zu einem Kopfzerbrechen geworden. Zwei Vorstandsmitglieder des Netzwerkes „Sortir du Nucléaire“ können nicht mehr miteinander sprechen ohne das Risiko einer vorläufigen Festnahme einzugehen: Wie können unter diesen Umständen Sitzungen abgehalten werden?

Die Versammlungen der Koordination Stop Cigéo sind ebenso behindert wie die von zahlreichen anderen Arbeitsgruppen, vor allem die der AG Rechtsfragen, sowie jede kollektive Organisationsform in den Vollversammlungen der Bewegung sowie in den Zusammenkünften ihrer verschiedenen Komponenten.

Indem man zehn Personen verbietet, sich zu begegnen, wird der gesamten Bewegung eine Zwangsjacke angelegt; die Bedrohung als Nächste.r „dran zu sein“ lastet auf jedem und jeder.

Wir lassen uns nicht täuschen: Diese erschreckende Repression entspricht in proportionaler Weise den Mängeln des Cigéo-Projektes: Technisch wurde Cigéo angeschlagen, als die AS (franz. Sicherheitsbehörde) Anfang 2018 seine Sicherheit in Frage stellte; wirtschaftlich ist seine Machbarkeit nicht gewährleistet, da es an den notwendigen finanziellen Rücklagen fehlt( ).

Während es noch nie so viele legitime Gründe gab, sich dem Projekt zu widersetzen, wird mit dieser gerichtlichen Aufsicht versucht, den Kampf zu lähmen, die Leute zu isolieren, in Misskredit zu bringen und ein Gefühl der Hilflosigkeit auszulösen. Diese Strategie des Erstickens und der Kriminalisierung gleicht einem Versuch seitens des Staates, jeden Widerstand gegen die aktuellen Arbeiten der Andra (Nationale Behörde für die Entsorgung radioaktiver Abfälle) vor Ort hinwegzufegen, denn diese will ihren Antrag auf Genehmigungsantrag für eine Umsetzung Mitte 2019 schnellstmöglich einreichen. Gegen diese Kriminalisierung kämpfen heißt direkt gegen Cigéo kämpfen. Wir unterstützen das Vorgehen derer, die diese gerichtliche Überwachung anfechten.

Nach einer Ablehnung im Berufungsverfahren am 22 August 2018 soll das Kassationsgericht den Fall am Mittwoch den 14. November untersuchen. Wir rufen auf, diese absurden und freiheitsberaubenden Maßnahmen zu beenden.

Die Anhörung findet um 9h45 in Anwesenheit der Angeklagten statt und wird gefolgt von einer Ansprache während einer Pressekonferenz vor dem Gericht um 10h30.

Danke an Linda für die Übersetzung ins Deutsche!

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