VG Berlin: Bundesregierung muss Zahlungen an Anwälte offenlegen

Artikel vom 18.1.2018, Autor Arne Seemsrot, Quelle netzpolitik.org

Wie viel Geld zahlt die Bundesregierung an ihre Anwälte? Solche Informationen müssen nach einer Gerichtsentscheidung auf Anfrage herausgegeben werden. Das Innenministerium wehrt sich allerdings gegen mehr Transparenz.

Die Bundesregierung muss nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) offenlegen, wie viel Geld sie der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs für ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gezahlt hat. Das hat heute das Verwaltungsgericht Berlin entschieden (Aktenzeichen VG 2 K 50.17).

Auf Auskunft geklagt hatte die Kletteraktivistin Cécile Lecomte, die sich mit Verfassungbeschwerden gegen Ingewahrsamnahmen bei zwei Protestaktionen gegen Castortransporte zum Zwischenlager Lubmin in den Jahren 2010 und 2011 wehrte. Die Atomkraftgegnerin hatte ihre Verfassungsbeschwerden selbst verfasst, die Bundesregierung ließ Redeker Sellner Dahs eine 55-seitige Stellungnahme schreiben. Das Bundesverfassungsgericht gab im Sommer 2017 den Verfassungsbeschwerden der Aktivistin statt und hob Urteile des Landgerichts Stralsund auf.

Anwaltskosten als Berufsgeheimnis?

Das Innenministerium und die beigeladene Kanzlei führten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht um die Offenlegung des Anwaltshonorars eine Reihe von Ausnahmetatbeständen auf. So sei das Honorar zum einen ein Betriebsgeheimnis. Zum anderen müssten auch die Gesamtbeträge in den Anwaltsrechnungen geheim gehalten werden, um die fiskalischen Interessen des Bundes zu schützen. Die Beklagten konnten allerdings nicht ausreichend darlegen, warum es Nachteile für die Bundesregierung oder die Anwaltkanzlei nach sich ziehen würde, sollte der Gesamtbetrags in den Anwaltsrechnungen veröffentlicht werden.

Außerdem können die Anwaltsrechnungen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht als Teil des Berufsgeheimnisses im Sinne des IFG gewertet werden. § 3 Absatz 4 des IFG schützt danach lediglich etwa vertrauliche Kommunikation zwischen privaten Dritten mit ihren Anwälten, jedoch nicht grundsätzlich sämtliche Informationen, die das Verhältnis von auskunftspflichtigen Behörden zu ihren Anwälten betreffen. Nach Aussage des Innenministeriums in der mündlichen Verhandlung sei mehr Transparenz in diesem Bereich für viele Teile der Verwaltung schädlich, da es genug Behörden gebe, „die vom IFG keine Ahnung haben“. Bei der Entstehung des IFG im Jahr 2005 sei nach Aussage des Ministeriums nicht absehbar gewesen, dass durch „das Internet und Blogs“ Informationen von Behörden nicht nur für Einzelne, sondern für eine breite Öffentlichkeit einsehbar werden könnten.

Klärung vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Innenministerium wird voraussichtlich Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob Anwaltshonorare als Teil der vertraulichen Beziehungen zwischen Behörden und Anwälten besonders geschützt sind, ist auch die Sprungrevision zum Bunderverwaltungsgericht möglich.

Redeker Sellner Dahs wird häufig von Verwaltungen unter anderem in IFG-Verfahren eingesetzt, um Auskunftsanfragen abzuwehren. In zwei Verfahren um die Offenlegung von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes und Hausausweise zahlte zum Beispiel der Bundestag der Kanzlei etwa 100.000 Euro.

Weitere informationen

  • Hier geht es zum Artikel der Legal Tribune online zu diesem Verfahren.
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