Beim Besuch im Knast ist mir aufgefallen, dass es in Niedersachsen in den Frauenknästen in Vechta und Hildesheim keine Uniformen gibt, weder die Schließer*innen noch die anderen Menschen, die im Knast arbeiten tragen Uniformen. Das ist nicht mal eine Entscheidung der Angestellten selbst, sondern eine Anordnung des JVA-Leiters Weßels, ein Angestellter vermutet, weil das sonst „zu hart“ für die Frauen sei.
Mir kommt dabei die Frage in den Sinn: „Zu hart“ die Realität zu zeigen? Konkret bedeutet die Abwesenheit von Uniformen im Knast vor allem, dass nicht klar ersichtlich ist, wer Eingesperrte und wer Einsperrende ist. Auf den ersten Blick ist das den Frauen nicht ansehbar, in der Küche oder bei der Aufnahme Arbeitenden sieht mensch nicht an, ob sie Angestellte oder Zwangsarbeiter*innen sind (in deutschen Knästen ist Arbeit für Eingesperrte verpflichtend). Real werden damit Herrschaftsverhältnisse verschleiert, mit dem Ziel die Frauen gefügiger zu machen, wenn sie nicht jeden Tag direkt sehen, dass es die Einsperrenden sind, welche Macht über sie haben und ausüben. Eine Kennzeichnung durch Uniformen würde deutlicher machen, dass es zwei Seiten gibt: Die Eingesperrten und diejenigen, die freiwillig dort sind und durch ihre Arbeit zum Erhalt der einsperrenden Institutionen beitragen (unabhängig davon ob als Sozialarbeiter*in oder Schließer*in).
Verstärkt wird dieser Effekt noch durch – durchaus ehrlich gemeinte Nettigkeiten – der Knastangestellten, sei es das Angebot eines Tanzkurses oder die Möglichkeit trotz eigentlichem Ende vom sogenannten Aufschluss oder Besuchszeit noch was zu erledigen. Das macht es für die Eingesperrten schwer, diese Personen zu hassen, denn im Rahmen ihrer angenommenen Möglichkeiten sind sie durchaus freundlich. Die Herrschaftsausübung wird damit sanfter, indirekter. Das alles ist ein Versuch, die institutionelle Gewalt zu verschleiern, die auch von den freundlichen Angestellten tagtäglich ausgeübt wird, indem sie Türen zuschließen, Menschen „therapieren“ oder ihnen Disziplinarmaßnahmen androhen.
Doch auch in der verschleierten Version ist die Repression im Knast allgegenwärtig, Menschen haben Angst, länger allein in den Zellen eingesperrt zu werden, weil sie oder andere sich daneben benehmen. Bei Fehlverhalten und Nicht-Einhaltung von Absprachen (so absurd sie auch sein mögen) wird von Seiten des Knastes gesagt, das Vertrauensverhältnis wäre gestört, deshalb müsste jetzt eine Disziplinarmaßnahme erfolgen (wie das Verbot eigene Kleidung zu tragen oder längerer Einschluss in der Zelle). Durch die Vorspiegelung es würde ein Vertrauensverhältnis bestehen zwischen Eingesperrten und Einsperrenden soll die Einsicht der Eingesperrten gestärkt werden, dass sie etwas falsches gemacht hätten um das Verhalten regel- und normkonform zuzurichten. Dazu kommt die Angst vor Kollektivstrafen, es ist nämlich durchaus möglich, dass alle länger in ihren Zellen bleiben müssen, weil eine Person es nicht länger ausgehalten und randaliert hat. Damit kommt zu der Angst von Sanktionen durch den Knast die Angst vor Ärger mit den anderen, ebenfalls betroffenen Frauen.
Wenn also wer (wie einer der dort Angestellten) behauptet, der Knast wäre wie eine bessere Kur mag das vielleicht auf den ersten Blick so wirken, tatsächlich ist mein Eindruck, dass sich die Knäste in den letzten Jahrzehnten nur weiter entwickelt haben, zu perfideren, subtileren Maschinerien der Erzwingung gewünschten Verhaltens auf Kosten von eigenem Denken. Es bleibt also weiterhin wichtig, nicht vor allem die Bedingungen in Knästen zu verbessern, sondern Knäste und andere einsperrenden Institutionen zu bekämpfen und in ihrer Gesamtheit abzuschaffen.
Eindruck einer Besucherin