Gerichtsentscheidung: Einsperren rechtswidrig – was bringt‘s?

Im Zuge der 17-stündigen Blockade eines Uranhexaflouridtransportes von Hamburg nach Gronau, kurz vor der Urananreicherungsanlage in Gronau am 05.10.2017, wurden wir, die wir rund um die Blockade aktiv waren unserer Freiheit beraubt, vermutlich hauptsächlich weil die Polizei uns nervig fand. Die Freiheitsberaubung variierte zwischen 2 und 17 Stunden, in denen uns zum Teildie notwendige medizinische Versorgung bei Unterkühlung verwehrt wurde.

Räumung der Betonblock-Blockade 2017

Räumung der Betonblock-Blockade 2017 Bild: Pay Numrich

Wir klagten gegen das Land Nordrhein-Westfalen, das durch die ausführende Polizei die Beraubung der Freiheit zu verantworten hatte. Mit vielen langwierigen Begründungen hatte die Polizei die damaligen Maßnahmen verteidigt – unter anderem mit einem Schreiben der anonymen Betonbauer*innen, dass Monate nach den Ingewahrsamnahmen auf Indymedia aufgetaucht war. Knappe zwei Jahre nach der Aktion und einem Schreiben des Gerichts, dass es die Sache so sehe wie in der Klage beschrieben knickte die Behörde ein und bestätigte uns, dass das Einsperren unverhältnismäßig und unrechtmäßig gewesen ist. Jetzt fordern wir Schmerzensgeld von der Polizei dafür. So kann das Land vielleicht bei der Finanzierung der Kosten für die Strafprozess gegen sechs von uns, die jetzt wegen der Aktion angeklagt sind, helfen.

Eine gewonnene Klage. Grund zum ausrasten, Party machen und Beine hochlegen? Bestimmt nicht.

Denn bei der nächsten Aktion wird die Polizei uns vermutlich genauso einsperren, egal ob sie eine Rechtsgrundlage finden oder nicht, weil sie es können. Deutlich wird das auch an dem Schreiben, in welchem die Polizei die Rechtswidrigkeit anerkennt und doch der Meinung ist alles richtig gemacht zu haben:

„Es wurde nach bestem Wissen und Gewissen nach einer Abwägung aller für und gegen die Ingewahrsamnahme sprechenden Aspekte entschieden. Die vom Gericht aufgezeigten Möglichkeiten eines Platzverweises bzw. und/oder eines Bereichsbetretungsverbotes stellten sich aus Gründen einer polizeitaktisch nicht erfolgversprechenden Umsetzung nicht.“

Nur mit sehr viel Nerv, vielen Klagen der gleichen Personen und selten kann es an einem Ort erreicht werden, dass die Polizei keinen Bock mehr hat und sich etwas mehr an die Spielregeln hält (bei der nächsten Aktion in der gleichen Gegend 2019 wurde tatsächlich niemand eingesperrt). Konrekt heißt dass dann aber nur mal ein bisschen weniger Stress in der Gesa für uns, aber vielleicht auch mehr Akzeptanz für die Polizei als Ganzes.

Wir glauben nicht an die Polizei oder Gerichte als sinnvolle Institution. Menschen könnten uns vorwerfen, dass wir mit den Klagen suggerieren, wir würden an den Rechtsstaat glauben und das Gerichte die willkürlichen Maßnahmen der Polizei schon unterbinden würden. Und an dem Vorwurf ist etwas dran: Ja, wir betätigen uns derer Mittel um zu ‚unserem Recht‘ zu gelangen – was immer ein bisschen den Staat legitimiert. Aber ‚Unser Recht‘, das hat aber nichts mit einem Glauben in Gerechtigkeit in diesem System, geschweige denn in ein gerechtes Rechtssystem, zu tun. ‚Unser Recht‘ ist die Idee, aktionsfähig zu bleiben, was auch heißt den Spielraum auszunutzen den wir haben um die gegen uns angesetzten Strafen möglichst wenig effektiv zu halten‚mit zu bestimmen‘. Eben durch eine Klage wegen Freiheitsberaubung gegen die Behörden, die uns später wegen „schweren Eingriff in den Bahnverkehr, Störung öffentlicher Betriebe, Nötigung“ usw., belangen wollen um: Möglichst früh Akteneinsicht zu bekommen um sich auf den Prozess vorbereiten zu können; die Behörden möglichst früh mit Papierkrieg zu nerven und ihnen einen Vorgeschmack auf einen Strafprozess mit uns zu geben; um durch gesprochene Urteile im vorgelagerten Verwaltungsverfahren Hebel und Argumente im Strafprozess an der Hand zu haben, die es sonst nicht gäbe. Eine klare Ansage, dass wir uns nicht einschüchtern lassen – dafür haben wir uns für das Kostenrisiko und zwangsläufig auch ein paar Angaben zu den Gewahrsamnahmen entschieden.

Wir haben die Klage auch geführt um nochmal aufmerksam machen zu können, darauf dass die Polizei permanent Rechtsbrüche begeht, obwohl sie immer mehr Macht bekommt (und einen Teil dieses offensichtlichen Unrechts zu Rechts wird, was schon zeigt wie absurd Begriffe von Recht und Unrecht sind). Aber auch um darauf aufmerksam zu machen, dass die Polizei die „Freie Fahrt der Uranindustrie“ durchsetzt, dass nicht wir es sind, die radioaktives Uran für die Brennstoffproduktion quer durch die Welt verschiffen, auf Züge laden, auf LKW die Straßen unsicher machen. Verwantwortlich dafür sind Unternehmen, die auf Profit setzen (was auch sonst im Kapitalismus?). Und weil wir uns dagegen wehren, werden wir eben eingesperrt und angeklagt – auch wenn wir immer mal wieder schaffen uns zu wehren. Das ist unsere Art mit dem ganzen Scheiß umzugehen, damit wir auch morgen wieder auf dem Spielplatz dabei sind, wenn es gegen die Atomenergie oder den Kapitalismus geht.

Einige der Kläger*innen

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