Ibis erste Woche in Haft

Zu den gewöhnungsbedürftigen Umständen im Knast gehört unter anderem auch der zeitverzögerte Eingang von Informationen. Mit diesem Text wollen wir versuchen einen kleinen Einblick in die letzte Woche zu geben.

Nachdem Ibi für sie völlig überraschend nach Schleswig gebracht wurde, kam sie in der dortigen Jugendarrest-Anstalt in Quarantäne. Warum sie überhaupt nach Lübeck geladen wurde, ist und bleibt ein Rätsel und ist wohl vor allem mit Willkür und fehlender Kommunikation der Justizbehörden verschiedener Bundesländer untereinander zu erklären. Diese Willkür und den Schließer:innen und der Anstaltsleitung gegenüber ausgeliefert zu sein zieht sich durch die gesamte Woche.

Es zeichnet sich das Bild einer Anstalt, die ihre eigenen Regeln macht. Die Besuche der Verteidigung, die anfangs problemlos möglich waren, wurden schnell unterbunden. Die Begründungen ändern sich und zeigen vor allem, dass die Personen, die in der JVA arbeiten, die Rechtslage mindestens zum Teil selbst nicht verstanden haben.

Der Inhaftierten erzählen sie, die Verteidigung habe sie nie verteidigt. Der Person selber wurde am Mittwoch der Zutritt auf Anweisung der Leitung verwehrt. Ein Gespräch mit ihr darüber wurde auch verweigert. Es wird argumentiert, die Person habe zwar im Verfahren verteidigt, habe allerdings in der dazugehörigen Haftsache keine Befugnis mehr dazu. Das ist juristisch Blödsinn, und dient deutlich dem Zweck, Besuch von der Verteidigung zu verunmöglichen. Außerdem sei die Person kein:e Rechtsanwält:in.  Dass dies nach §138 (2) StPO auch nicht nötig ist und von der Verteidigung auch nie behauptet wurde, scheint allen ziemlich egal zu sein.

Auf der anderen Seite der Mauern gibt es vor allem eins: viel Einschluss (also Zeit, in der die Gefangenen in ihren Zellen eingeschlossen sind). Abgesehen von einer Stunde Hofgang am Tag, unsinnigerweise auch „Freistunde“ genannt, bleibt die Tür verriegelt. Sobald sich der Schlüssel, zu meist nicht absehbaren Uhrzeiten, im Schloss dreht, müssen die Gefangenen eine Maske aufsetzten und mit absurd höflichen Fragen wie: „Ist alles gut bei Ihnen?“ rechnen. Was genau bei 23h allein in einem Raum eingesperrt gut sein soll, erschließt sich hier nicht.

Das Essen ist schlecht und selbstverständliche Dinge, wie zum Beispiel das Recht auf Duschen, werden plötzlich zum Kampf. Laut Wachpersonal dürfen die Gefangenen in Quarantäne nicht duschen und sollen sich am Waschbecken waschen. Davon ist in den betreffenden Erlassen des Justizministeriums keine Rede. Dass Hygiene auch eine wichtige Form des Infektionsschutzes ist, ist anscheinend hinter den Knastmauern noch nicht angekommen.

Auch um saubere Unterwäsche müssen die Gefangenen explizit bitten. Eine absurde Logik, unter der Personen jegliche Möglichkeit zur Selbstbestimmung genommen wird, ganz abgesehen von der Demütigung die es bedeutet, um eine saubere Unterhose bitten zu müssen. Dass uns diese Orte als Möglichkeiten der „Resozialisierung“ verkauft werden, bleibt widerlichste Propaganda.

Ein Lichtblick in dem ganzen sind vor allem die Möglichkeit zu telefonieren und die Briefe. Letztere haben mit abgebrochenen Plastikgabelstückchen ihren Weg an die Pinnwand der Zelle gefunden und bringen bunte Flecken in die sonst eher triste Zelle.
In einem Brief wurde auch Glitzer beigemischt, weswegen Zelle und grüne Anstaltskleidung immer noch funkeln. Sehr zum Ärger der Schließer:innen, die sich darüber beschweren, die Zelle nie wieder sauber zu kriegen.

Die Zelle selbst hat, neben einem Fenster mit Gitterstäben davor, auch einen Fernseher, ein Radio und ein Telefon (mit 99 Freistunden ins Festnetz, wegen der fehlenden Möglichkeit von Besuchen). Das ganze kann als Versuch verstanden werden, Personen vorm kompletten Durchdrehen zu bewahren. Nichts davon macht aber die menschenunwürdige Unterbringung in dieser Form von Quarantäne und Isolation akzeptabel.

Menschen so voneinander zu Isolieren macht kaputt. Vergleicht mensch die Quarantäneregeln in Knästen mit denen von Reiserückkehrer:innen nach Deutschland, fallen gravierende Unterschiede auf. Hier zeigt sich die kapitalistische Ausrichtung unserer Gesellschaft mit ihrer deutlichsten Fratze: wenn irgendwer daran verdienen kann, werden Möglichkeiten und Freiheiten geschaffen, die Menschen, die keine Lobby besitzen, verwehrt bleiben. Warum Inhaftierte ohne die Möglichkeit durch einen negativen Test ihre Quarantäne zu verkürzen in ihren Zellen eingesperrt werden, während Cafés wieder öffnen und Menschen reisen dürfen, wird auf Antrag mit einem lapidaren „weil wir das dürfen“ beantwortet.

Die Gesundheit der Gefangenen hier als Argumentation anzuführen ist vollkommen absurd, passt aber leider in das höflich fürsorgliche Bild, das sich die Anstalten selber geben möchten und was vermutlich auch viele der Schließer:innen von sich selbst haben. Wenn die Gesundheit der Gefangenen wichtig wäre, wären diese nicht in Knästen eingesperrt. Generell nicht und zu Pandemiezeiten ganz besonders nicht.

Befehle werden als Fragen oder Bitten formuliert, aber das ist nur eine Verschleierung der gegebenen Machtverhältnisse im Knast. Diese Verhältnisse sind dadurch aber nicht weniger vorhanden. Alle Höflichkeit ist, so gut und auch ehrlich sie im Einzelfall gemeint sein mag, damit vor allem eins: Schönfärberei einer gewalttätigen, einsperrenden Zwangseinrichtung,

Ein wichtiger, oben schon beschriebener Weg, diese Isolation zu durchbrechen sind Briefe. Wir möchten hier noch einmal dazu ermutigen Ibi (und allen anderen Gefangenen auch) zu schreiben! Brieffreundschaften machen den grauen Alltag ein wenig bunter, ermöglichen einen Austausch über die Mauern hinweg und zeigen den Inhaftierten, dass sie nicht völlig vergessen werden. Eine Liste mit Gefangenen in Deutschland findet ihr hier, eine internationale Liste hier.

Ein paar Menschen haben sich bereits per Dienstaufsichtsbeschwerde über die Anstaltsleiterin beschwert. Wenn ihr das auch machen wollt: Die Faxnummer der JVA ist 04621 809-221. Wenn ihr lieber dort anrufen wollt ist die Nummer 04621 809-101 und per Mail ist die Anstalt erreichbar unter poststelle@jasl.landsh.de.

Es gab in Cottbus am 24. April auf einer Demo in Cottbus bereits eine Explizite Solidarisierung mit Ibi, vielleicht inspiriert das ja zur ein oder anderen Soli-Aktion. Oder, um es mit Ibis Worten zu sagen: „Ich freu mich über alles an Aktionen gegen Knäste (auch gegen den neuen Abschiebeknast in Glücksstadt). “

Bis alle frei sind und aus allen Knästen Pommesbuden wurden!

Ibi/ Buchnummer 71211
Jugendarrest Schleswig
Königswiller Weg 26
24837 Schleswig

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